Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Plessenburg und dann „querbergrunter“                                                                         22.08.2024 Egon hat ’nen Plan, wobei Egon in diesem Falle ein Rock-Rentner ist, also ich. Mein Plan ist, diesmal den Waldgasthof Plessenburg (555m) von Darlingerode aus zu erobern. Vom Parkplatz führt mich ein schmaler Waldweg bis zur Tänntalstrasse. Vermutlich heißt das Tal, an dessen Hang sich diese Forst-Strasse nach oben schlängelt, Tännchental oder so ähnlich. Ist mir auch schnuppe, denn es geht straff nach oben. Meine Schritte sind relativ zügig, die Gelenke gut geölt und ganz allmählich findet auch der Schweiß alle Poren. Gleich zu Beginn springt ein Eichhörnchen vor meine Füße, später treffe ich noch einige Wanderer, die gleich mir von der Plessenburg magisch angezogen werden. Inzwischen ballert auch die Glutsonne vom azurblauen Himmel, der frische Wind streichelt meine dünne Haarpracht und gaukelt mir Frische vor. Das ist gefährlich, denn ein Sonnenbrand lauert in der Harzer Höhenluft. Für die knapp vier Kilometer und 250 Höhenmeter braucht der geübte Wanderer 1,15 Stunden, sagen die Apps (die ich nicht habe). Ein Rock-Rentner von meinem Kaliber braucht eine halbe Stunde länger. Zwar bin ich nicht wesentlich langsamer, doch bestaune die Natur, ich knipse und staune wieder. Das frisst Zeit und Energie. Nach knapp zwei Stunden ist das Gasthaus in Sichtweite, die letzten Meter bis zu einem Tisch sind geschafft. Pause! Am Tresen entscheide ich mich für Erbsensuppe (ohne Bockwurst). Außerdem will ich wissen, wie ich, ohne ins Tal zu müssen, zum Oberförster-Koch-Platz gelange. Die Antwort weicht von Egon’s Plan ab und deshalb bin ich verunsichert. In diesem Zustand der Unsicherheit löffle ich brav Erbsensuppe und rette alle Bienen, die in mein Glas mit Cola fallen. Deshalb bin ich stolz auf mich. Den Bienen schütte ich die restliche Cola neben den Tisch und auf dem Tisch lasse ihnen einen kleinen Harzstein. Dies ist meine gute Tat des Tages. Nach dem Löffeln und der guten Tat beschließe ich, meinem Plan zu folgen. Ich wähle den Weg hinter der Gaststätte in Richtung Gasthaus Steinerne Renne. Der windet sich langsam am Hang entlang und dabei stetig höher. Ich bin leicht verunsichert, denn eigentlich sollte schon bald ein Abzweig kommen, den ich von meiner ersten Wanderung (aus anderer Richtung) kenne. Sollte die Wirtin wirklich recht behalten? An einem Wegweiser zur Wolfsklippe entschließe ich mich zur Umkehr. - Das hätte ich nicht tun sollen, werde ich zu Hause feststellen, denn nur wenige Meter weiter, hinter der Bergkuppe, hätte ich den Abzweig gesehen, den ich eigentlich finden wollte. Also gehe ich wieder zurück zum Gasthaus Plessenburg. Am Abend werde ich mir schwören, niemals wieder am Tresen nach dem Weg zu fragen. Statt am Denkmal für den Oberförster Koch zu landen, bin ich wieder am Gasthaus. Danach befinde ich mich auf dem „richtigen“ Weg zur Mönchsbuche. Allerdings hinab ins Tal, was ich nicht wollte. Ich folge dem Hinweis vom Tresen und schon bald erreiche ich den Pisseckenplatz und ich weiß sofort: hier sollte ich nicht sein! Ich müsste jetzt eigentlich hinauf zum Weg, der vorbei am „Oberförster“ zur Mönchsbuche führt. Ich bin sauer wegen des Umwegs, wegen meiner Entscheidung, umzukehren und wieder hoch auf den alten Weg will ich auch nicht. Jedoch erinnere ich mich, dass von hier ein Weg ins Tal führen sollte, sagten damals die Waldarbeiter. Ich sehe diesen Abzweig gleich hinter einem Holzhaufen und entscheide, da weiter zu gehen. Eine reichlich halbe Stunde später werde ich merken und spüren, dass auch dieser Hinweis, und also meine nächste Entscheidung, nicht klug war. Dennoch gehe ich guten Mutes, aber auch mit Zweifeln, den Weg hinab ins Tal. Immer weiter und tiefer. Dort nimmt das Schicksal seinen Lauf. Irgendwann sagt mein Gefühl, dass auf diesem Weg schon lange niemand mehr gegangen sein kann. Hohes Gras verdenkt die vielen Steine am Boden. Ich wandere nicht mehr, sondern taste mich mittels meines Wanderstabes eine halbe Stunde lang abwärts, von totem Holz, langen Beerenranken und viel Gestein behindert. Umkehren ist auch keine Option mehr, als ich unten ankomme. Hier wenden sich meine Schritte nach links, ins Tal hinein. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Aus dem Hang treffen kleine Rinnsale den Weg, der eigentlich keiner ist. Als ich über einen gefallenen Baumstamm steigen muss, passiert es – plötzlich liege ich im Dreck! Ich sah mich in Slow Motion fallen und bin froh, noch heile zu sein. Am nächsten Baumstamm mache ich Rast. Ich bin platt wie ’ne Flunder, aber noch lange nicht da, wo ich gern wäre. Inzwischen haben die vielen Rinnsale vom Hang eine pitschnasse, schlammige Rinne erschaffen. Ich steige nach wie vor über Baumstämme, haufenweise Äste und immer wieder durch Schlamm und über Steine. Mir scheint, ich laufe in einer Art Bachlauf. Als ich nur noch Wasser und Modder sehe, krieche ich aus der Rinne raus und stehe mitten im Harzer Urwald. Der Waldboden voll Sträucher mit Dornen und viel hohem Gras. Plötzlich sitze ich ein zweites Mal. Eine Dornenranke war’s. Hier würde mich kein Schwein finden, denke ich, nicht einmal ein Mensch. Ein Handy besitze ich wohl, habe es aber so gut wie nie dabei. Es zählt nicht zu meinen Wanderutensilien: Handymuffel! Ich muss innerlich grinsen, in meinem Alter solche „Wanderungen“ zu veranstalten, statt auf den richtigen Wegen zu bleiben. Als ich vor mir einen Haufen Baumstämme im Wald erblicken kann, kämpfe ich mich bis dorthin. Da habe ich auch einen Weg gefunden. Eine Minute später habe ich festen Boden unter den Schuhen. Die bringen mich wieder zum Parkplatz mit meiner Harzkarre. Ein Mal falsch entschieden und man erlebt Sachen, die man sich nie hätte vorstellen können. Auf dem letzten Kilometer (von insgesamt dreizehn) muss ich lächeln, denn wieder einmal habe ich mich (ungewollt) selbst übertroffen und überwunden. Welch herrliches Gefühl.